Rosenmonate.
Reges Treiben wie in einem Bienenstock herrscht um die Destille in Lalehzar in den Monaten Mai und Juni. Mit Mopeds, Eseln, Lastern, Traktoren oder zu Fuß kommen die Bauern geeilt, um die frisch geernteten Rosenblüten abzugeben. Am Eingang zur Lagerhalle, in der die ausgebreiteten Rosen die Luft mit ihrem Duft schwängern, sitzt ein Mitarbeiter der Destille an einer großen Waage. Jeden Sack voll Rosen wiegt er ab, das Gewicht trägt er in ein Quittungsbuch ein und gibt dem Bauer einen Beleg, mit dem er direkt im Anschluss ausbezahlt wird. „Der gezahlte Preis ist gut, und die Bauern sollen das auch wissen“, sagt Ali Mostafavi, der Geschäftsführer von Zahra Rosewater. Am Jahresende zahlt Zahra zudem Prämien an ihre Vertragsanbauer, wenn der Umsatz ausreichend hoch ist. „Natürlich müssen wir auch in den Betrieb investieren“, sagt Mostafavi. Zum Beispiel müsse man eine neue Abfülllinie für die etwa 20 verschiedenen Pflanzendestillate – von Pfefferminzwasser über Weidenwasser bis Vierzigkräuterwasser – anschaffen, die Zahra neben den ätherischen Ölen, Kräutersalzen und Früchtetees herstellt. Mit dieser weiten Produktpalette kann Zahra die Destille in den Monaten außerhalb der kurzen Rosensaison nutzen.
Rosenöl und Rosenwasser.
Alles geht sehr schnell in der Rosenannahmestelle. Im Hintergrund nehmen Mitarbeiter die Säcke in Empfang und leeren die Rosen auf den sauberen Hallenboden aus. Die Blüten dürfen nicht heiß werden, damit sie nicht zu viel des kostbaren ätherischen Rosenöls abgeben. Deshalb beginnt die Ernte am frühen Morgen, und jeder aus dem Lalehzar-Tal, der nicht krank oder zu alt ist, hilft mit. Immer wieder schaufeln die Mitarbeiter der Destille die Rosen hin und her, um sie kühl zu halten. Wenn Destillen in der danebenliegenden Halle frei sind, werden die Blüten eilig hinübergebracht und eingeschlagen in blaue Planen zum oberen Kessel der Destillationsanlage hinaufgehievt. 500 Kilogramm Rosenblüten passen in einen Kessel und kochen drei Stunden lang zusammen mit 500 Litern Wassern. Mehr als 900 Tonnen Rosenblüten verarbeitet Zahra Rosewater pro Jahr. 900 Tonnen Rosenwasser und ca 150 Liter Rosenblütenöl sind der teure Ertrag dieser Arbeit, der im eigenen Analyselabor laufend auf seine Qualität hin untersucht wird. „Wir streben an, den Ertrag auf 1100 Tonnen Rosenblüten pro Jahr zu erhöhen“, sagt Ali Mostafavi, optimistisch gestimmt durch die vertraglich auf lange Zeit angelegte Zusammenarbeit mit der WALA, die mehr als ein Drittel des produzierten Rosenöls sowie getrocknete Rosenblüten kauft, zum Beispiel für das Dr. Hauschka Rosen Pflegeöl. Neue Felder in Shiraz und Dharab sollen zum Wachstum beitragen. Mostafavi freut sich über die gute Geschäftsbeziehung mit der WALA. Im Januar 2008 besuchte er das deutsche Unternehmen, um unter anderem in Gesprächen über einen gemeinsamen Qualitätsstandard zu reden.
Aufklärung und Schulung.
Die 1500 Bauern, die für Zahra Rosewater arbeiten, sind eigenständige Unternehmer. In Verträgen mit Zahra verpflichten sie sich, keine chemischen Düngemittel einzusetzen, weil Zahra die Felder durch die British Soil Association biozertifizieren lässt. „Die Bauern davon abzuhalten, die Rosen mit Chemie zu behandeln, ist eine Herausforderung“, sagt Mostafavi, „da der iranische Staat Chemiedünger subventioniert und die Bauern anfangs nur damit umzugehen wissen.“ Aufklärung und Schulung, zum Beispiel durch den biologisch-dynamisch arbeitenden Landwirt Hans Supenkämper von der WALA, sind deshalb wichtige Grundpfeiler der Zusammenarbeit mit den Bauern. Zudem stellt Zahra neben Rosenstecklingen den Bauern natürliche Düngemittel aus Kompost kostenlos zur Verfügung. Wer gegen das Verbot chemischer Dünger verstößt, fällt für vier Jahre aus dem Vertrag. „Wir lassen die Bauern dann aber nicht im Stich“, erzählt Homayoun Sanati, der die Vision hat, das komplette Lalehzar-Tal auf biologische Landwirtschaft umzustellen, von der Milchkuh über die Rosen bis zu Obst und Gemüse. Einen Bauern, der chemisch gedüngt hätte, würde man zwar anzeigen, die Rosen kaufe Zahra ihm aber dennoch ab, allerdings zu niedrigeren Preisen, und lasse sie in konventionellen Betrieben destillieren. Wer mit Zahra arbeitet, gehört eben zur Familie. Diesen Zusammenhalt will auch eine regelmäßig herauskommende Zeitung für die Bauern in Lalehzar unterstreichen, die Mahdi Maazolahi betreut. Sie berichtet über Neuigkeiten rund um die Rosen, porträtiert einzelne Bauern, erzählt von Festen oder Erneuerungen in den Dörfern, zudem sind spezielle Seiten für Frauen und für Kinder integriert. Zum Familiären der Zusammenarbeit gehört ebenso, Familien in Not einen Vorschuss zu gewähren, alten Menschen, die nicht mehr arbeiten können, eine Art Rente zu zahlen oder Rechtsbeistand bei Streitigkeiten zu leisten. Zahra hat die Wasserversorgung in den Dörfern aufgebaut und unterstützt die Schulen. Ein von Zahra eingerichtetes Gesundheitszentrum vor Ort gewährleistet die medizinische Grundversorgung. Wer zu einem Facharzt nach Kerman muss, bekommt die Fahrt dorthin organisiert. Wer heiraten will, bekommt einen Kredit zu dem sehr niedrigen Zinssatz von vier anstatt 14 Prozent, wie ihn iranische Banken nehmen. Besonders begabten Kindern ermöglicht Zahra, in Kerman zur Schule zu gehen. Ziel ist es, dass sie gut ausgebildet wieder zu ihren Dörfern zurückkommen und mitarbeiten. Das Konzept geht auf: Die Arbeitslosenquote in Lalehzar ist die niedrigste in der ganzen Region. Landflucht, wie sie im Iran weit verbreitet ist, weil sich Landwirtschaft wegen der Zwischenhändler kaum mehr finanziell lohnt, findet hier kaum statt. Sogar das iranische Landwirtschaftsministerium betrachtet das Unternehmen mit Wohlwollen und bot Zahra Kredite für den weiteren Aufbau an. Das war jedoch nicht nötig, Zahra kann sich gut auf sich gestellt finanzieren und kann einen Teil seiner Erträge sogar an die Waisenhäuser der Sanati-Stiftung abgeben.
„Auf Testfeldern bauen wir Weizen mit und ohne chemischen Dünger an und vergleichen sowohl den Ertrag als auch die Kosten“, sagt Ali Mostafavi. Die Ergebnisse gibt er an die Bauern weiter, die daraus für sich selber entscheiden können, ob biologischer Anbau rentabel ist. Die Bauern sollen ein Bewusstsein für den Bioanbau bekommen und sich aus Überzeugung dafür entscheiden. Auch wenn im Iran selber noch kein Markt für Bioprodukte vorhanden ist, höchsten ansatzweise in Teheran, glaubt Zahra Rosewater an ihre sanfte Bio-Revolution.